Chronologie der Rettungsaktion eines außergewöhnlichen Inselbewohners

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In einer bewegenden Geschichte schildert Karl Maria Kinsky, in Artà auf Mallorca lebend, Eindrücke und Beweggründe für seine Reise in die Ukraine, um dort Flüchtlinge abzuholen, die mittlerweile in seinem Haus einen sicheren Zufluchtsort gefunden haben. Aber auch von den Problemen, die sich auftun – jetzt wo er wieder sicher auf der Insel ist. Problemen im Alltag, in der „neuen Realität“, Herausforderungen mit Ämtern und Behörden auf Mallorca, mangelnder Unterstützung, die weit über anerkennendes Kopfnicken und Schulterklopfen hinausgeht.

„Es fehle an allen Ecken und Kanten“ lässt er wissen – bittet immer wieder darum dass er „jetzt erst recht“ Hilfe und Unterstützung benötige – Hilfe um weiter zu helfen.

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Chronologie der Rettungsaktion eines außergewöhnlichen Inselbewohners
Zur Unterstützung der Wundheilung

Karl Maria Kinsky ist Spross eines österreichischen Adelsgeschlechts, er lebt nun schon seit vielen Jahren auf Mallorca, dem einzigen Ort wie er uns später verraten wird, an dem die Menschen der österreichischen Seele am nächsten seien.

Tatsächlich leben auf Mallorca viele bekannte Österreicher, zuletzt verließ die österreichische Pop Legende Reinhard Fendrich die Insel um sich in seiner Wiener Heimat niederzulassen. Kinsky jedenfalls, will hier bleiben.

Chronologie der Rettungsaktion
Chronologie der Rettungsaktion – Foto: Karl Kinsky

Als er gesundheitsbedingt 2016 hier ankam hatte er schon einiges erlebt, seine bewegte Vergangenheit als Sohn einer Missionarin und eines Schauspielers gab es da schon in Buchform. Er jedenfalls, hatte da gerade sein Unternehmen in Deutschland abgewickelt und suchte auf der Insel nach einem Ort an dem er sich gemeinsam mit seiner Gattin, Judith Sturm und Töchterchen Maxima niederlassen wollte.

Kinsky war immer schon Kunstsammler, er vertritt mit seiner privaten Kunstsammlung und den angeschlossenen Galerien an die hundert Künstler, kein Wunder also, dass wir ihn im Büro zu diesem Interview treffen. Obwohl, eigentlich sitzen wir nun in einem seiner Galerieräume in Artà, denn sein Büro bewohnen jetzt Ukrainische Flüchtlinge und deswegen sind wir auch hier. Denn Kinsky hat eine Reise unternommen, in die Ukraine, um dort zu helfen wo andere sich nicht mehr hintrauen seit Putin dort die Hölle entfacht hat, die Zivilgesellschaft abschlachtet und das Land in Schutt und Asche legt.

Kinsky, der wie er uns erzählt, eine fantastische Ukrainische Künstlerin vertritt, deren Arbeit er für „a hasse Nummer“ (eine heisse Anwärterin) zur Aufnahme seiner Sammlung sieht, vertritt, hängt am Telefon, vor ihm steht eine Rolle mit Visitenkarten, es müssen hunderte Kontakte sein die er teilweise eingeheftet oder auch handgeschrieben vor sich stehen hat.

Karl Kinsky
Karl Kinsky

„Ah do schau her, der föht man o“ (ach sieh an, der fehlt mir noch) murmelt er, schnappt sein Telefon und bittet uns höflich um 5 Minuten, der Anruf sei noch wichtig, „sunst geht uns heit des hoiz aus und dann wird’s koid – des wetter is a schas“ (sonst geht uns heute das Holz aus und dann wird es kalt – das Wetter ist nicht gut).

Am anderen Ende, Guilermo, ein Mallorquiner, „Hola Carlos“ – Hola Guilermo, tienes Lena? In perfektem Mallorquin bestellt Kinsky einen Sack Holz und fügt dann mit lieblicher Stimme hinzu, „Guilermo, Du weißt, der ist für unser Haus, damit die Leute hier nicht frieren, ich bitte Dich mir diesen Sack zu schenken“. „Natürlich Carlos, für Dich mache ich das gern, mach Dir keine Gedanken, wir bringen es vorbei“… Kinsky möchte schon weitertelefonieren, dann nimmt er mich wieder wahr. „Sorry“.

Kinsky legt das Telefon ab und mustert mich von oben bis unten. Du host a scho amoi besser ausgschaut“ (Du sahst schon mal besser aus) um dann hinzuzufügen, wos wüst von uns? (Was willst Du von uns). Meint Kinsky mit der Frage jetzt wirklich mich? Ist es doch mehr er selbst, der ausgelaugt und geschafft ausschaut.

Chronologie der Rettungsaktion
Chronologie der Rettungsaktion – Foto: Karl Kinsky

Was ich wissen will, was wir wissen wollen, ist – was bewegt einen Privatier der eigentlich hierhergekommen ist, um in Ruhe sein Kind großzuziehen und hier ein bescheidenen Leben zu führen, dazu, sich über Nacht ins Auto zu setzen um Flüchtlinge aus der 2.500 Kilometer entfernten Ukraine abzuholen, einem Land von dem wir bislang nicht mehr wussten außer dass es als der Gemüsegarten Europas verstanden wird, immerhin liefert die Ukraine einen Grossteil des weltweiten Sonnenblumenöls an alle Herrgottsländer. Das haben wir auch schon auf Mallorca bemerkt, denn was während der Pandemie das Klopapier war ist nun das flüssige Gold, dass man, wenn überhaupt nur noch im Literpäckchen zu bekommen scheint.

Kinsky: Ich verfolge, wie wir alle die Nachrichten und war von Anfang an schockiert über die Nähe dieses Überfalls. Praktisch fühlte ich mich als Europäer sofort persönlich angegriffen. Innerlich hat sich diese Wut in mir hochgestaut und gleichzeitig hatte ich dieses Gefühl der absoluten Hilflosigkeit.

Ich erinnere mich noch, dass ich mir gedacht habe, ich hol mir die Waffen aus dem Schrank und fahre dahin, um denen dort zu helfen. Da ich nun aber eine 6-jährige Tochter habe, haben sich diese Gedanken natürlich nicht manifestiert. Trotzdem war ich traurig, habe geweint und jeden Tag darüber nachgedacht wie Irre und Surreal das alles ist und wie unnötig. Später habe ich mit meiner ukrainischen Künstlerin Margo Murashko gesprochen.

Als sie mir mitteilte, dass sie in Dnipro in der Ukraine sei und es dort auch schon Raketenbeschuss gäbe, wollte ich nicht mehr ruhig sitzen. Ich teilte ihr kurzerhand meinen Abreisewunsche mit und überwies ihr gemeinsam mit Freunden und Galeriekollegen ein paar Tausend Euro um ihre Flucht zu koordinieren. Inzwischen übergab ich mein Kind meiner Ex-Frau und befand mich kurz darauf mit meinem Bus auf der Fähre nach Barcelona.

Redaktion: Hast Du Dir für einen Moment überlegt ob das Auto das überhaupt schafft?

Kinsky: Ehrlicherweise hat mein Mechaniker Micha in Capdepera von der deutschen Autowerkstatt da schneller gedacht als ich, als er über meine Abreisepläne erfuhr beorderte er mich kurzerhand einen Tag vor der Abreise in die Werkstatt und sponserte vier neue Reifen, Flüssigkeiten wie Öl und Ersatzkanister, dazu noch einen Haufen Ratschläge sowie vier Kisten Babynahrung und Medikamente. Ich war also tatsächlich einigermassen vorbereitet. Sonst hatte ich nichts mit, außer meinem Koffer eben und einer Rolle Bargeld.

Chronologie der Rettungsaktion
Chronologie der Rettungsaktion – Foto: Karl Kinsky

Redaktion: Hattest Du eine Idee was es kosten würde?

Kinsky: Nein, wär auch fad, sollte schon auch ein Abenteuer werden, wars dann auch.

Redaktion: Wusstest Du wohin Du fahren musst?

Kinsky: Ich hatte drei mögliche Grenzübergänge, aber als mir am Tag der Abreise noch ein Paket mit Insulin überreicht wurde, welches eigentlich Kühlschrankkalt ankommen müsste, hatte ich dann keine Wahl, ich musste über Italien, Österreich, die Slowakei und Polen nach LVIV fahren um die Medizin dort zu übergeben.

Das habe ich dann auch so gemacht, fuhr erstmal in zwei Tagen nach Österreich durch und lud in Wien den Bus noch voll mit weiteren Medizinischen Waren. Anschließend war der Plan nach LVIV zu kommen um dort 3 Tage zu warten ob Margo kam oder nicht und wenn nicht, dann einfach 5 andere Leute rauszuholen. Margo und 4 weitere Flüchtlinge waren aber dann schon am Sonntag da und so musste ich quasi über Nacht noch in Wien aufbrechen und losfahren, um die Gruppe an der Grenze zu treffen.

Redaktion: Hattest Du Probleme mit den Behörden auf dem Weg?

Kinsky: Ich wurde zweimal angehalten und mit Hunden durchsucht, man glaubte mir wohl erstmal nicht und wollte Sichergehen das ich kein Drogenkurier bin. Sonst waren sie aber alle freundlich und ließen mich auch jeweils rasch weiterfahren.

Redaktion: Und dann – Auto tot?

Kinsky: Tatsächlich ging mir dann in Krakau, 180 Kilomteter vor der Grenze der Mercedes ein. Lichtmaschine defekt, Gürtel und Sprinzel ab – ich konnte gerade noch so von der Autobahn rollen, inzwischen hatte ich ja schon den Anruf meiner Gruppe erhalten – man hatte sie 5 Kilometer vor der Grenze ausgesetzt. Da war guter Rat erstmal teuer.

Ich hatte aber Glück im Unglück, polnische Jugendliche an der Tankstelle sprachen englisch, ein Mechaniker war rasch gefunden, drei Stunden später war ich unterwegs an die Grenze und kurz darauf dann auch schon in der Stadt LVIV, begleitet von einem Konvoi aus Begleitfahrzeugen. Aktion pur und Adrenalin ohne Ende. Rein, abladen, Raus und dazwischen noch ein paar Engeln aus Deutschland kennengelernt die mir die Gruppe nach Krakau brachte. Es war zum Heulen, aber auch gut und am Ende waren wir dann vereint und die Rückreise konnte beginnen.

Geplant hatte ich nichts, ich wollte bloß, dass sie keinen Stress haben. Margo erzählte mir, sie fuhren 24 Stunden mit dem Zug – in der Nacht mussten sie am Boden liegen, bei verschlossenem Fenster und ohne Licht, der Zug rauschte durch die Nacht und dann fielen Bomben vom Himmel, direkt neben dem Zug schlugen Raketen ein, der blanke Horror.

Der Zug hielt dann auch nicht mehr an, er fuhr einfach durch bis LVIV, volles Tempo. Sie hatten sich vorher in DNIPRO bei der Jüdischen Gemeinde registriert, dort versprach man ihnen sie bei der Grenze schneller nach Polen zu bringen. Die Reisegruppe hatte also schon einiges hinter sich als ich sie endlich einsammeln konnte.

Chronologie der Rettungsaktion
Chronologie der Rettungsaktion – Foto: Karl Kinsky

Redaktion: Bist Du dann sofort nach Mallorca zurückgefahren?

Kinsky: Nein, ich komme aus Wien und bin dort dementsprechend vernetzt. Nach der ersten Nacht in Krakau sind wir nach Wien durchgefahren und haben dort zwei Tage verbracht, Sightseeing inklusive. Überhaupt haben wir viel Sightseeing gemacht, wir waren in Krakau, Wien, später Venedig, Figueres, Barcelona. So viel Kultur habe ich auch im Urlaub noch nicht gesehen, jedenfalls nicht in einer Tour.

Redaktion: Wie lange warst Du dann unterwegs?

Kinsky: Hin und Retour insgesamt 14 Tage. Es hätten 13 sein können aber Samstags ging keine Fähre in Barcelona und wir mussten einen Tag warten.

Redaktion: Wie fühlte sich das an, als Du hier ankamst?

Kinsky: Es hatte 5 Grad es war nass und kalt – mein Haus war nass und kalt – die Wäsche war klamm…. Es war besch … eiden.

Redaktion: Wie ging es der Gruppe? Wie war die Moral?

Kinsky: Die Moral war gut, ich habe mich um alles gekümmert, sie hatten keine Sorgen. Die Nacht auf der Fähre allerdings war so schlecht, nachher haben wir alle ausgesehen als kämen wir unmittelbar vom Kriegsschauplatz, dabei waren wir an und für sich aber eh sehr entspannt gereist. Den Kindern hat es jedenfalls gefallen.

Redaktion: Apropos Kinder, Du hast auch eins?

Kinsky: Ich habe sogar drei, aber die kleinste lebt noch bei mir. Ja, für Sie ist das natürlich auch ein Abenteuer. Was wir alle beide noch nicht so richtig verstanden haben ist, wie sehr das unser ganzes Leben jetzt ändert. Unsere Gäste werden nicht weitergereicht oder gehen schnell wieder woanders hin. Wir stellen uns auf ein mindestens mehrmonatiges Engagement in unserem Haus ein.

Chronologie der Rettungsaktion
Chronologie der Rettungsaktion – Foto: Karl Kinsky

Redaktion: Ist da nicht kompliziert? Spricht jemand Englisch?

Kinsky: Die Ukraine hat nicht nur ein höheres Einkommensniveau als Spanien, es sprechen praktisch alle, mindestens eine Fremdsprache. In meiner Reisegruppe sprechen 4 von 5 Englisch, Margo spricht sogar Deutsch.

Redaktion: Wie Flüchtlinge kommt einem das nicht vor oder schon?

Kinsky: Wir haben einen europäischen Notfall und die Menschen aus der Ukraine sind wie Du und ich, Europäer, wer da also noch an junge kräftige Männer aus Afghanistan, ohne erkennbarem Bildungsniveau denkt, kennt sich einfach nicht aus. Nehme ich keinem übel, aber ich möchte das schon anmerken.

Redaktion: Alle kommen in Deinem Haus unter, ist das so groß?

Kinsky: Nein, ich habe ein kleines Stadthaus, aber es hat eben viele Zimmer und durch eine clevere Platzaufteilung gelingt das ganz gut sich auch hier einen privaten Raum zu schaffen.

Redaktion: Momentan seid ihr zu 7, kommst Du Dir da nicht wie ein Hotel vor?

Kinsky: Nächste Woche kommen noch eine Mutter und zwei weitere Kinder hinzu. Es gibt einige Hausregeln, an die sich alle halten, das macht es einfacher, aber leichter wird es dadurch sicherlich nicht. Früher war ich mit zwei Bädern schon verwöhnt, heute bräuchte ich noch mindestens eines mehr. Morgens gibt es Engpässe, aber wir arrangieren uns, ich habe einen 10 Liter Tank in meinem Zimmer, Zähneputzen können wir also auch ohne Badezimmer.

Redaktion: Gibt es Hilfen vom Staat?

Kinsky: Nein, es gibt auf den Balearen kein Flüchtlingsprogramm, wer hierher kommt muss den normalen Registrierungsweg gehen, mehrmals zur Polizei, lange Wartelisten, viel Bürokratie und irgendwann dann eine temporäre Residencia, damit kann man dann zumindest um Sozialleistungen ansuchen, vorgesehen sind meines Wissens nach 50,- EUR pro Person und Monat für Essen. Damit kann ich hier natürlich niemandem ernsthaft helfen. Ab nächster Woche rechne ich für diesen 10 Personen Haushalt mit einer Energierechnung in Höhe von etwa 400 bis 600 Euro, dazu kommen Essen in Höhe von 1.000 Euro pro Monat – konservativ – und dazu kommen noch Pflegemittel wie Seife, Shampoo und Kleidung in Höhe von noch einmal 400 bis 500 Euro.

Es läppert sich also und bislang trage ich alle diese Kosten selbst. Immerhin, einen Kleidergutschein für Kinder in Höhe von 70 Euro wurde schon überreicht. Da sieht man erstmal die Überforderung der Beauftragten auf dem Sozialamt. Ich komme mit 5 Flüchtlingen, darunter 2 Kindern dorthin und bekomme einen Kleidungsgutschein?! Da weiß man erst gar nicht wie man reagieren soll, bzw. wem da jetzt geholfen werden soll. Jedenfalls beliefen sich meine Kosten inklusive den Reisekosten bislang auf etwa 7000 Euro im März.

Redaktion: Das kann doch auf Dauer kein Mensch alleine schaffen?

Kinsky: Ja schön das Du mich das fragst aber es fragt mich eigentlich sonst keiner. Ich habe mein Leben wie es war erstmal an den Nagel gehangen. Meine Tochter und ich sind jetzt Flüchtlingshotel und das ist ein Job an sich, selbstverständlich ereilen einen da manchmal Zweifel an der eigenen Intelligenz, menschlich gesehen war und ist es allerdings so richtig und auch nur auf diese Art erträglich. Wer nichts macht, verändert auch nichts.

Chronologie der Rettungsaktion
Chronologie der Rettungsaktion – Foto: Karl Kinsky

Redaktion: Leiden Deine Geschäfte unter der neuen Situation?

Kinsky: Natürlich, meine Zeit geht jetzt vor allem zu Hause drauf, viele Amtswege, Fragen und Bedürfnisse aller Personen hier rauben mir die Zeit. Auf Galeriekunden brauche ich bis zu Ostern ebenso wenig hoffen, alles in allem ist es eben nach 2 Jahren Pandemie auch wirklich ungünstig dann noch einen derartig desaströsen Krieg erleben zu müssen. Mir tun die Leute leid, während daheim die Bomben fallen, Raketen fliegen und Zivilisten einfach ermordet liegen gelassen werden, fließen hier die Tränen nächtlich, wenn die Kinder schlafen. So manch eine hat es noch nicht begreifen können, dass es keine Heimat mehr gibt in die man eben zurückkehren könnte.

Redaktion: Was können die Menschen tun um euch zu helfen?

Kinsky: Klingt total banal, aber selbstverständlich hilft es uns am allermeisten wenn wir uns selbst koordinieren können. Kein Mensch kann 50 Kilo Kartoffeln verarbeiten und 5 Pakete Spagetti wollen eben auch ein Sugo. Wenn uns jemand unterstützten möchte wäre ein Dauerauftrag für die nächsten 6 Monate Sinnvoll. Spenden Sie möglicherweise weniger, aber dafür regelmäßig, denn für die 100 Euro Spende von heute kann ich in zwei Wochen keine Nahrungsmittel mehr einkaufen. Wer trotzdem lieber Dinge spendet als Geld, der besorgt am besten Grundsätzlich wichtige Dinge wie Klopapier, Haushaltsrollen und Geschirrsspülmittel und Geschirrspülmaschinen Tabs. Putzmittel in Form von Allzweckreinigersprays sind ebenso begehrt wie Waschmittel (Hautfreundliches für die Kinder – von Persil) aber auch Badeschaum, Duschgel und sonstiges Hygiene Utensil sind gern angenommene Spenden.

Kleidungsspenden werden wir zwar weiterhin inspizieren, aber prinzipiell gehen die Nahrungsmittelspenden momentan im Haus vor. Früchte, Gemüse, Fleisch und Milch. Fragen Sie mich einfach im WhatsApp vorher, ich schicke Ihnen dann eine Liste und Sie können uns die Sachen unkompliziert in der Galerie abgeben. Geld für Diesel, die Stromrechnung, Wasser und Abfall, nehme ich gerne in Form von Paypalzahlung oder direkt auf mein Konto entgegen. Alle Ausgaben sind transparent und können vom Spender auf Wunsch eingesehen werden.

Meine Kontodaten:
IBAN: LT19 3250 0089 9970 2698 BIC: REVOLT21 (REVOLUT ONLINE BANK)
Betreff: Ukraine
Mein Paypal: paypal@atkinsky.com Betreff jeweils „Ukraine“
Meine Whatsapp Nummer ist: +34 685 407 513 und Email: info@atkinsky.com

Redaktion: Habt ihr immer auf?

Kinsky: Die Galerie ist Dienstag, Samstag und Sonntag auf, ab Ostern dann 7 Tage die Woche von 10-14 Uhr. Wem der Weg zu weit ist, kann auch auf meiner Webseite Kunst bestaunen und kaufen. Momentan haben wir viele Angebote, ist ihres dabei?

Redaktion: Wie geht es weiter?

Kinsky: „Täglich grüßt das Murmeltier“, erstmal alle anmelden, danach beim Jobsuchen helfen und das Haus instand halten und versuchen den Verstand nicht zu verlieren.

Redaktion: Magst du unseren Lesern noch was sagen?

Kinsky: DON’T LOOK UP! – (Anspielung auf den neuen Film auf Netflix in dem ein Komet kommt die Erde auszulöschen und keiner will es glauben) HELFT MIR ZU HELFEN. ALLEINE SCHAFFE ICH ES NICHT. JEDE SPENDE ZÄHLT!

Zum Abschluss unseres Gesprächs – und als Antwort auf meine erneute Frage „Warum tut man sich sowas an? Warum nimmt man diese Strapazen auf sich?“ kramt Kinsky noch einen Stapel Papier hervor und schiebt ihn mir herüber. „Hier, lies das, einen Ausschnitt aus meinem Reisetagebuch“.

„Heute geht einer der ereignisreichsten Tage meines Lebens zu Ende, ich habe eine Panne beheben lassen, dort eine Gruppe Fahrer kennengelernt die die Strecke Krakau – LWIW jeden Tag mehrmals fahren. Kurzerhand wurde ich mit meinem frisch reparieren Bus in den Konvoi aufgenommen und in rasendem Tempo ging es schon alsbald über die Grenze und dann weiter nach Lwiw, vorbei an gefühlt 10 Kilometer Blechschlange bestehend aus Bussen, Vans, Autos und Kutschen, alles eben, was noch ein Rad hat.

Was mir da im „Vorbeirauschen“ sofort ins Auge sprang, da waren bloss noch die Busfahrer und ansonsten echt ausschliesslich Frauen und Kinder. Als wir dann den ersten Checkpoint erreichten war auch klar warum. Unser erster Checkpoint war deren letzter und selbst der letzte Sohn, Bruder oder Vater musste sich dort verabschieden wenn er es nicht schon am Hauptbahnhof tat….ich hab echt geheult, das trifft einen als Vater echt einmal wie der Blitz, Du schickst Deine Kinder und Dein Weib weg damit die überleben, vielleicht siehst Du sie nie wieder…

Ich hatte dann das Glück dass mir Daniel half mein Insulin an der richtigen Stelle zu übergeben wo man schon darauf gewartet hatte, schnell den Rest raus und dann zack zack wieder raus da und nix wie hin zurück zur Grenze.

„Don’t give them time to mark you“ sagt Piotr, because then the can get us all…

Und wir geben Gas, ich habe Sauangst dass der Bus gleich wieder in Arsch geht, aber ich bin in der Mitte, ich kann nicht langsamer fahren sonst kommen wir zu weit auseinander… und dann Grenze nach gefühlt einer Ewigkeit und irgendwie vorbei an allen anderen und nach ’ner halben Stunde in der „fastlane“ rüber über die Grenze und zurück zu meinen Mädels im Hotel, die es noch gar nicht begriffen haben, dass ihr Leben wie sie es kannten erstmal vorbei ist.

Im Auto dann die Entscheidung, wir ballern durch nach Wien und dann zwei Tage Pause…. Bei Freunden kommen die Mädels unter – ich woanders, jetzt fallen mir die Augen zu aber schlafen geht noch nicht weil ich noch beisse – an meinen Eindrücken und irgendwie war’s wohl früher im Krieg auch so, der Widerstand formiert sich, die Grenzen verlaufen fliessend…. Eins aber ist gewiss – Krieg … ist Scheisse. Schlaft gut – haltet eure Lieben fest! Karl

Alle Fotos: Karl Kinsky