elBulli 1994-1997 von Ferran Adrià
1993 an der Costa Brava: Avantgarde-Koch Ferran Adrià leitete eine Kochrevolution ein. Der zweite Band seines monumentalen Werkverzeichnisses beschreibt die ersten Jahre seiner ‚Hexenküche‘
Man könnte meinen, der spanische Avantgarde-Koch Ferran Adrià sei wegen der optischen Schönheit seiner Kochkunstkreationen zur nächsten documenta nach Kassel eingeladen worden. Das Spiel der Farben, Formen und Strukturen der Häppchen-Hexenküche des Katalanen ist ein optischer Genuss. Melonenkaviar, Parmesan-Spaghetti und Mandarinen-Schaumwolken – fast alles mutet verfremdet, manches surrealistisch an. Aber documenta-Chef Roger Buergel hat Adrià, den „berühmtesten Koch der Welt“ wohl eher als einen die Konventionen sprengenden Neuerer und Aufklärer eingeladen. Also nicht wegen Geschmack oder Optik, sondern wegen des umfassenden Konzepts.
In der Tat benutzt Adrià zur Beschreibung seiner 1993 im Restaurant „elBulli“ an der Costa Brava begonnenen Kochrevolution oft Ausdrücke aus der Kunst, nachzulesen im nun vorliegenden zweiten Band seines monumentalen Werkverzeichnisses. Er habe eine eigene genormte Sprache für sein Kochen entwickeln müssen, die manchmal Beziehungen zur Welt der Kunst habe, erklärte der Spanier kürzlich.
Sinn für Provokation und Humor
Da ist von Minimalismus die Rede oder von Dekonstruktion, wenn Adrià neue Techniken wie heiße Gelatine aus Agar-Agar erklärt. Auslöser für seinen Aufbruch auf einem ganz neuen Weg war der französische Küchenchef Jacques Maximin mit dem Satz: „Der Weg zum eigenen Stil ist Nicht-Nachahmen“. Mittlerweile ist der Spanier selbst wohl der meistkopierte Koch der Welt.
Bei ihm entsteht in einem salzigen Sorbet die „Symbiose der süßen und der salzigen Welt“. Produkte wie Mayonnaise oder Spargel werden dekonstruiert, verschieden verarbeitet und wieder rekonstruiert. Immer wieder und manchen Kritiker entwaffnend bekennt sich Adrià auch zum sechsten Sinn: dem für Provokation, Spiel und Humor. Genau dokumentiert er seine Anleihen bei fremden Köchen oder die Übernahme von Techniken der modernen Lebensmittelindustrie.
Nicht die Spur von Minimalismus
Mittlerweile sind zwei von vier Bänden auf deutsch erschienen, zuerst „elBulli 1998-2002“, nun „elBulli 1994-1997“ über die ersten Jahre der neuen Küche, jeweils mit einem umfangreichen Fotokatalog, dazu eine „theoretische Ausführung der Entwicklungsanalyse“ und eine CD. Mit ihrer Hilfe kann man Hunderte von Rezepten zum Nachkochen finden. Dabei bietet der jetzt vorliegende Band deutlich weniger technische Hürden für den Laien als der erste mit den fortgeschrittenen Kreationen der Jahre 1998-2002.
Im Herbst kommen noch der Band über die Jahre 2003-2004 und dann ein Rückblick auf Adriàs Anfangsjahre 1983-1993 heraus – jeweils fünf Kilogramm Buch im Großformat und Schuber, kein bisschen minimalistisch. Die Bücher sind fast schon ein Kunstobjekt an sich, für alle, die sich intensiver für die neue kreative Küche interessieren. Ihr Preis entspricht in etwa dem eines Essens im „elBulli“ – doch dort einen Tisch zu bekommen, ist nahezu unmöglich.
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