Jan Ullrich spricht in seiner Autobiographie „Himmel, Hölle – und zurück ins Leben“ offen über seinen Kampf mit Alkohol und Drogen. „Wenn ich nach Hause kam, habe ich das Geld auf den Boden meines Schlafzimmers geworfen. Wenn ein Drogendealer kam, schickte ich ihn in mein Schlafzimmer. Dort konnte er so viel Geld abholen, wie er wollte.“
Nach einer erfolgreichen Radsportkarriere begann für Ullrich (50) die Abwärtsspirale. Der Deutsche, der 1997 die Tour de France gewann, kämpfte mit einem Alkohol- und Drogenproblem, das völlig außer Kontrolle geriet. In seiner Autobiografie spricht er offen über seine Sucht, die 2018 in seinem körperlichen Absturz gipfelte. BILD konnte einen Blick in einige der Teile werfen.
„Ich erkenne dich nicht mehr wieder!“
„Eines Tages öffnete ich eine Flasche Wein. Ich habe sie komplett leer getrunken. Etwas, das ich sonst nie tat. Aber es hatte eine besondere Wirkung auf mich. Es war, als ob sich ein Nebel in meinem Kopf bildete, der das Böse vertrieb. Mein Gehirn wurde für eine Weile auf Pause geschaltet.“
„Nur irgendwann habe ich nicht nur zum Alkohol gegriffen, sondern auch zu Drogen. Ich nahm Kokain. Heimlich, denn ich zog mich jedes Mal in unseren Keller zurück. Niemand wusste davon. Zumindest am Anfang. Denn Sara wurde misstrauisch. Und eines Tages stand sie plötzlich mit einem kleinen Tütchen mit weißem Pulver vor mir. Sie schrie. „Ist das dein Ernst? Nimmst du Kokain, während du Kinder hast? Was ist denn mit dir los? Ich erkenne dich gar nicht mehr wieder!“
Um sein Leben wieder in den Griff zu bekommen, zog Ullrich nach Mallorca und begab sich in Therapie. Leider verfiel er bald wieder in seine alten Gewohnheiten. Der Absturz war zu viel für Sara. „Sie konnte es nicht mehr ertragen. Sie hatte schon so viel gelitten und ich habe es noch schlimmer gemacht. Sie beschloss zu gehen. Denn wenn sie diese Entscheidung nicht getroffen hätte, wäre sie völlig gebrochen gewesen. Sie wusste das, und ich wusste das.“
„Ich habe es lange Zeit ignoriert, aber eines Tages hat sie es tatsächlich getan. Sie kehrte mit den Kindern nach Deutschland zurück. Und ich, ich blieb zurück, gefangen im Paradies. Ich befand mich in einem Albtraum. Ohne zu ahnen, dass es eigentlich noch schlimmer werden sollte.“
„Durch die Drogen wurde ich plötzlich zu einem lauten, extrovertierten Mistkerl. Auch mein Haus auf Mallorca war plötzlich zu einer ‚Rockstar-Hölle‘ geworden. Schauspieler, Künstler, Kriminelle. Alle liefen rund um die Uhr an meiner Tür vorbei. Jeder war willkommen.“
Die Art und Weise, wie Ullrich seinen Drogenkonsum finanzierte, ist geradezu halluzinatorisch. „Irgendwann bin ich zur Bank gegangen. Ich warf meine Sporttasche auf den Tresen und nannte einen absurd hohen Betrag. Der Angestellte schaute mich ungläubig an. Vielleicht hat er mich nicht erkannt.“
„Das ist auch nicht verwunderlich, denn ich hatte zwei Tage lang nicht geschlafen und war voll mit Whisky und Kokain. Als ich nach Hause kam, warf ich das Geld auf den Boden meines Schlafzimmers. Wenn ein Drogendealer kam, schickte ich ihn in mein Schlafzimmer. Dort konnte er so viel Bargeld abholen, wie er wollte.“
„Himmel, Hölle – und zurück ins Leben“
Er gilt als einer der größten Sportler, die das Land je gesehen hat. 1997 gewann Jan Ullrich als bislang erster und einziger Deutscher die Tour de France. In den folgenden Jahren entfachte er mit seinen Duellen gegen Lance Armstrong und Marco Pantani eine nie dagewesene Radsport-Euphorie – und ließ Millionen von Menschen vor den Bildschirmen bei jedem Rennen mitfiebern. Doch nach seinem kometenhaften Aufstieg, folgte ein tiefer Fall.
Nach Doping-Vorwürfen im Jahr 2006 wurde Ullrich von der Tour der France ausgeschlossen. Er beendete seine Profikarriere und zog sich aus der Öffentlichkeit beinahe vollständig zurück. Die Nachrichten um ihn rissen nicht mehr ab. Alkohol- und Drogenmissbrauch, Unfälle, Depressionen, Entzugskliniken – und schließlich der komplette Absturz auf Mallorca, bevor er sich dann schließlich langsam zurück ins Leben kämpfte.
Nun erzählt er erstmals ausführlich von seinem tiefen Fall. Von seiner Kindheit in Rostock, von seinen größten Erfolgen, auf die seine dunkelsten Stunden folgten. Und was er aus all diesen Episoden gelernt hat – und weitergeben möchte.
Die Geschichte von Jan Ullrich ist die Geschichte von einem Ausnahmesportler, der alle seine Grenzen überschreiten musste – um endlich seine Mitte und seine Lebensfreude wiederzufinden.
Quelle: Agenturen