Ein Team von Wissenschaftlern hat ein Modell künstlicher Intelligenz (KI) trainiert, das die Gesundheit einer Person vorhersagt: Das Tool kann anhand der Krankengeschichte eines Patienten das Risiko und den Zeitpunkt des Auftretens von mehr als tausend Krankheiten Jahrzehnte im Voraus prognostizieren.
Das Modell, das von Wissenschaftlern des Europäischen Laboratoriums für Molekularbiologie (EMBL), des Deutschen Krebsforschungszentrums (DKFZ) und der Universität Kopenhagen entwickelt wurde, wurde mit klinischen Daten von 400.000 Menschen aus Großbritannien trainiert und mit Daten von fast zwei Millionen Menschen aus Dänemark getestet.
Das Modell mit dem Namen Delphi-2M konnte die Wahrscheinlichkeit von mehr als tausend Krankheiten auf der Grundlage der Krankengeschichte einer Person mit einer Genauigkeit vorhersagen, die der anderer Tools entspricht oder diese sogar übertrifft.
Darüber hinaus gelang es ihm, Gesundheitsverläufe von bis zu 20 Jahren für eine Person zu simulieren und synthetische Daten zu generieren, die die Privatsphäre der Patienten schützen, aber dennoch für das Training anderer KI-Modelle nützlich sind.
Die Autoren argumentieren, dass ihr Tool dazu beitragen könnte, Personen mit einem erhöhten Krankheitsrisiko zu identifizieren, Vorsorgeprogramme zu steuern und die langfristige Planung von Gesundheitsdienstleistungen zu unterstützen.
„Unser KI-Modell ist ein Proof of Concept, das zeigt, dass es möglich ist, dass KI viele unserer langfristigen Gesundheitsmuster lernt und diese Informationen nutzt, um aussagekräftige Vorhersagen zu generieren”, sagt Ewan Birney, Interim-Geschäftsführer des EMBL.
„Indem wir modellieren, wie sich Krankheiten im Laufe der Zeit entwickeln, können wir beginnen zu untersuchen, wann bestimmte Risiken auftreten und wie frühzeitige Interventionen am besten geplant werden können. Das ist ein großer Schritt in Richtung personalisierterer und präventiverer Ansätze in der Gesundheitsversorgung“, fügt er hinzu.
Zwar könnten zukünftige Versionen weitere Arten von Gesundheitsinformationen enthalten und zur Verbesserung der personalisierten Versorgung beitragen, doch warnen die Autoren, dass das aktuelle Modell die Verzerrungen der Daten widerspiegelt, mit denen es trainiert wurde, und dass seine Vorhersagen nicht für direkte medizinische Entscheidungen ohne weitere Tests verwendet werden sollten.
KI bietet leistungsstarke Werkzeuge zur Identifizierung von Mustern im Krankheitsverlauf durch die Analyse großer Datensätze aus Patientenakten, aber das volle Potenzial dieser Modelle, insbesondere auf Bevölkerungsebene, ist noch weitgehend unerforscht.
In diesem Zusammenhang wurde Delphi-2M darauf trainiert, Muster im Auftreten bestimmter Krankheiten in Bezug auf andere Ereignisse in den Patientenakten zu erkennen, wie z.B. Faktoren im Zusammenhang mit dem Lebensstil und anderen Gesundheitszuständen.
„Medizinische Ereignisse folgen oft vorhersehbaren Mustern. Unser Modell lernt diese Muster und kann zukünftige Gesundheitsergebnisse prognostizieren. Es ermöglicht uns, auf der Grundlage der Krankengeschichte einer Person und anderer wichtiger Faktoren zu untersuchen, was passieren könnte“, sagt Tom Fitzgerald, Wissenschaftler am Europäischen Institut für Bioinformatik der EMBL (EMBL-EBI).
Den Autoren zufolge funktioniert das Modell besonders gut bei Erkrankungen mit klaren und konsistenten Verlaufsmustern, wie bestimmten Arten von Krebs, Herzinfarkten und Sepsis (Blutvergiftung).
Bei variableren Erkrankungen wie psychischen Störungen oder Komplikationen im Zusammenhang mit einer Schwangerschaft, die von unvorhersehbaren Lebensereignissen abhängen, ist es jedoch weniger zuverlässig.
Ähnlich wie bei Wettervorhersagen liefert dieses neue KI-Modell Wahrscheinlichkeiten, keine Gewissheiten. Es sagt nicht genau voraus, was mit einer Person passieren wird, sondern liefert gut kalibrierte Schätzungen der Wahrscheinlichkeit, dass bestimmte Erkrankungen innerhalb eines bestimmten Zeitraums auftreten, warnt die Studie.
„Es ist wichtig zu betonen, dass es sich nicht um eine Gewissheit handelt, sondern um eine Einschätzung der potenziellen Risiken“, betont Fitzgerald.
Darüber hinaus weist das Modell aufgrund von Lücken in den Trainingsdaten, wie z. B. der geringen Repräsentation bestimmter ethnischer Gruppen, demografische Verzerrungen auf.
Obwohl das Modell noch nicht für den klinischen Einsatz bereit ist, könnten Forscher damit bereits verstehen, wie Krankheiten entstehen und fortschreiten, untersuchen, wie Lebensstil und frühere Erkrankungen das Risiko für langfristige Krankheiten beeinflussen, und Gesundheitsergebnisse anhand künstlicher Patientendaten in Situationen simulieren, in denen es schwierig ist, Daten aus der realen Welt zu erhalten oder darauf zuzugreifen.
„Dies ist der Beginn einer neuen Art, die menschliche Gesundheit und den Verlauf von Krankheiten zu verstehen“, schließt Moritz Gerstung, Leiter der Abteilung für KI in der Onkologie am DKFZ und ehemaliger Gruppenleiter am EMBL-EBI.
Quelle: Agenturen





