Leserbrief zu „Müllabfuhr in Sóller“

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Liebes Mallorca-Services-Team,
da ich durch euere Artikel im September und im Dezember 2024 erfahren habe, wieso seit einigen Monaten dieses schreckliche Piepen morgens um 06.00 durch die Straßen von Soller hallt (weil nämlich Soller2010, der lokale Entsorger, mit anderen Fahrzeugen die Müllsammlung übernommen hat), möchte ich euch über meine Aktion informieren, mit der ich zwar noch nicht ganz, aber zumindest in Teilen erfolgreich war:

Ich habe vor zwei Wochen Flugblätter in Soller rund um die einzusammelnden Mülltonnen verteilt, in der ich (humorvoll, wie ich hoffe) die Unsinnigkeit dieses Alarmtons klargestellt habe.

Ein kleiner Teilerfolg: In ca. der Hälfte der Fälle ist nun der Alarmton leiser gestellt worden und das Piepen ertönt nur noch beim Hochfahren der Mülltonnen und nicht mehr die ganze Zeit. Es scheinen sich also außer mir noch zahlreiche andere Bewohner bei der Stadtverwaltung und dem Entsorger beschwert zu haben.

Dass nur einige Müllwagen dieses gräßliche Geräusch gedrosselt haben, scheint wohl daran zu liegen, dass es dem Ermessen des jeweiligen Fahrers überlassen ist, wie er den Ton einstellt – denn einstellbar scheint der Ton zu sein.

Ich schreibe Ihnen das hier, weil es vielleicht auch andere Gemeinden auf Mallorca gibt, wo Bewohner unter diesem unsäglichen Lärm am frühen Morgen leiden, und würde mich freuen, wenn Sie darüber berichten.

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Originaltext

Liebe Nachbarn,
wir haben inzwischen eine gute Müllentsorgung in Soller, die zuverlässig und gründlich ist.

Leider sind aber letztes Jahr neue Müllwagen eingeführt worden, die sehr laut piepen, sobald die Mülltonnen auf den Wagenheber gestellt und hochgefahren bzw. in den Müllwagen ausgeleert werden.

Das Piepen ist durchdringend, anhaltend und schätzungsweise 80 Dezibel laut.
Angeblich erfolgt das Piepen „aus Sicherheitsgründen“ – aber es ist nicht genau zu erkennen, was gesichert werden soll: Die Müllmänner selbst sehen ja, dass die Mülltonne hochgefahren wird, die brauchen kein Signal, um das zu erkennen (schon gar kein so lautes). Und die Bürger, die zwischen 05.30 morgens und 06.30 in Soller dadurch geweckt werden, brauchen auch kein „Sicherheitssignal“.

Falls Sie auch darum bitten möchten, ob man das Piepen nicht ausschalten oder zumindest deutlich leiser stellen kann, können Sie Ihre Bitte an folgende E-mails schreiben: aba.soller2010@gmail.com und governacio@a-soller.es

Warum piept es in Soller?

Die Wahrscheinlichkeit ist groß, dass die Verantwortung für die morgendliche Ruhestörung bei der EU liegt: Eines Tages saß ein EU-Bürokrat mal wieder untätig in seinem Büro, betrachtete das graue Brüsseler Novemberwetter vor seinem Fenster und überlegte angestrengt, womit er sein Gehalt von 100.000 Euro pro Jahr rechtfertigen könnte. Sein Blick fiel auf den Mülleimer neben seinem Schreibtisch, und da kam ihm die erleuchtende Idee: Die Sicherheit bei der Müllentsorgung muss unbedingt erhöht werden! Dazu braucht ganz Europa dringend ein weiteres EU-Gesetz!

Der Bürokrat machte sich sofort eifrig an die Arbeit und überlegte angestrengt, welche neue Vorschrift man benötigen könnte – denn eigentlich handelt es sich bei der Müllabfuhr in allen EU-Staaten um ein sehr sicheres, jahrzehntelang eingeübtes Verfahren. Zunächst dachte der Bürokrat an eine Alarmsirene, damit das Müllauto ähnlich wie ein Krankenwagen sicher und schnell durch den Verkehr fahren kann. Nun fahren Müllwagen jedoch für gewöhnlich in den frühen Morgenstunden vor dem Berufsverkehr herum, wenn kaum andere Autos auf den Straßen sind, so dass diese schöne Regel selbst dem Bürokraten dann doch recht sinnfrei vorkam.

Aber dann kam ihm eine viel bessere Idee: Sobald die Müllmänner die Mülltonnen auf die Wagenrampe gestellt haben und diese hochfährt, um die Mülltonne auszukippen, muss ein lautes durchdringendes Signal ertönen, damit die Müllmänner sich nicht plötzlich an die Mülltonne klammern oder ihre Hand in das Getriebe stecken oder sich vielleicht sogar aus Versehen auf die Mülltonne draufsetzen und auch in das Müllauto gekippt werden!

Der Bürokrat überlegte einen Moment lang, ob es irgendwo einen Müllmann geben könnte, der tatsächlich nicht sehen kann, dass die Mülltonne hochgefahren wird und beschloss, dass es in ganz Europa sicherlich irgendwo auch blinde Müllmänner gibt – immerhin gibt es ja sehr strenge EU-Vorschriften zu Barrierefreiheit und Inklusion! Außerdem war er der Meinung, dass Müllmänner wenn nicht blind, so doch geistig minderbemittelt sein könnten – denn er wusste nicht, dass Müllentsorgungsunternehmen in Europa eine sehr gute Ausbildung für ihre Mitarbeiter anbieten und es auch nicht so einfach ist, bei einem Entsorgungsunternehmen angestellt zu werden. Wie sollte ein Bürokrat der EU das auch wissen – er hatte ja noch nie in seinem Leben in einem normalen Beruf gearbeitet.

Also verfasste er glücklich über Tage und Wochen hinweg ein neues Gesetz, das den Herstellern von Müllwagen in Europa vorschrieb, an ihren Laderampen für Mülltonnen einen mindestens 80 Dezibel lauten Alarmsignalton zu installieren, der kontinuierlich beim Hoch- und Runterfahren der Mülltonne piept.

Das war vor drei Jahren, verehrte Leser, und bevor Sie jetzt empört sind, warum es so lange gedauert hat, bis wir jeden Morgen in den Genuss dieser wichtigen neuen Sicherheitsvorkehrungen gekommen sind, lassen Sie mich etwas zur Verteidigung der Bürokratie in der EU sagen: Die neue Vorschrift beschäftigte nicht nur unseren untätigen Bürokraten, sondern die Abstimmungsrunden, die er in Brüssel mit zig anderen Kollegen drehen musste, bis die Vorschrift verfeinert und abgestimmt war und vor allem bis die drakonischen Strafen bei Nicht-Befolgung alle ausdefiniert waren, sicherten weiteren EU-Bürokraten in ihren hochbezahlten Positionen für eine weitere Zeit ihren Job. Dafür müssen Sie Verständnis haben.

Hinzu kommt, dass die Müllwagen-Hersteller Europas die Vorschrift zwar vor anderthalb Jahren auf den Tisch bekamen – dort aber leider schon ein hoher Stapel von EU-Vorschriften lag, der noch nicht abgearbeitet war. Erst als die Müllwagen-Hersteller im Zuge des Lieferkettengesetzes eine Extra-Abteilung für die Durchführung von EU-Vorschriften eingerichtet hatten, konnten sie diese weitere beglückende Alarm-Sicherheits-Erneuerung bei der Konzeption ihrer Müllwagen einbauen.

Die Gemeinden, die neue Müllwagen kauften, wunderten sich zwar über die sehr lauten Alarmsignale, aber Sicherheit geht nun mal vor! Also akzeptierten sie es. Die Müllmänner, die das nervtötende Geräusch nun täglich stundenlang aus nächster Nähe ertragen mussten, fanden sich ebenfalls mit ihrem Schicksal ab: Jetzt konnten sie sich noch mehr auf ihren ruhigen Feierabend freuen. Sie wurden alle zu sehr ruhigen Naturliebhabern und mieden dafür anderen Lärm jeglicher Art. Und die Bürger der Gemeinden führten endlich Disziplin in ihr Leben ein und wachten jeden morgen pünktlich um 5.30 oder 6.00 Uhr spätestens auf und lungerten nicht mehr faul bis 07.00 Uhr in Ihren Betten herum.

Aber mit einem Ort hatten die EU-Bürokraten nicht gerechnet: Es gab eine kleine Stadt mit wunderschönen Straßen und ansonsten friedlichen Einwohnern, die das Piepen sehr schnell satt hatten und ihr Entsorgungswerk und ihre Stadtverordneten davon überzeugen konnten, das nervtötende laute Piepen einfach leise zu schalten.

Rebellisch und mutig nehmen die Bürger dieser Stadt seitdem das große Risiko in Kauf, dass aufgrund des fehlenden durchdringenden Alarmsignals ein Müllmann sich plötzlich an eine Mülltonne klammern könnte, weil er nicht versteht, dass sie gleich hochgehoben und entleert wird! Oder dass sogar ein ahnungsloser Passant plötzlich auf die Mülltonne zuspringt und sie umarmt – weil er ja kein Alarmsignal erhält, dass der Wagenheber mit dem Hochheben und Entladen der Mülltonne beginnt.

Aber, liebe Leser: Es gibt nun mal echte Gefahren im Leben, mit denen man sich abfinden muss!

Verfasser ist der Redaktion namentlich bekannt.

Update 06.03.2025

Ich wollte Ihnen nur mitteilen, dass der Alarmton völlig verschwunden ist: Es stehen jetzt wieder Trennmülltonnen auf den Straßen – offensichtlich nicht mehr von Soller2010, sondern von einem anderen Unternehmen. Die Wagen dieses Unternehmens geben in der Frühe keinerlei Signalton von sich! Sogar die Glastonne wird jetzt immer erst nach 09.00 Uhr morgens abgeholt (bei mir meistens sogar erst gegen 11.00) – was letztes Jahr noch nicht der Fall war, da fand das auch vor 07.00 Uhr statt. Die Morgenruhe ist also vollständig bzw. noch umfänglicher wieder in Soller eingekehrt!

Vielen Dank daher auch nochmal für das Veröffentlichen als Leserbrief – wer weiß, wer sich daraufhin noch bei dem Entsorger oder der Stadtverwaltung Soller gemeldet hat …

Die Redaktion weist darauf hin, daß der Inhalt der Leserbriefe die Ansicht der Einsender wiedergibt, die mit der Meinung der Redaktion nicht unbedingt übereinstimmt. Wir nehmen weder inhaltlich noch grammatikalisch Änderungen vor.