Spanische Senioren ohne Kinder werden gemeinsam älter

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In Spanien wächst eine einzigartige Generation von Senioren heran: Männer und Frauen, die bewusst oder gezwungenermaßen ohne Kinder geblieben sind und nun vor der Frage stehen, wie sie ihren Lebensabend verbringen möchten. Während frühere Generationen auf die Pflege durch Kinder oder Familie zählen konnten, ist dies für viele heute keine Option mehr.

Laut dem nationalen Forschungsinstitut CIS hat etwa jeder fünfte Spanier zwischen 55 und 65 Jahren keine Kinder, während in der jüngeren Generation der Mitte 30- bis Anfang 40-Jährigen bereits mehr als ein Drittel kinderlos ist.

Gleichzeitig verändert sich die spanische Gesellschaft rasant. In fast drei Viertel aller Haushalte leben keine Kinder mehr, und die Zahl der Alleinlebenden nimmt weiter zu. Etwa ein Viertel der spanischen Haushalte besteht aus einer Person, eine Rekordzahl, die in den kommenden Jahren weiter steigen wird.

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Gustav Knudsen | Blaues Licht

Dieser demografische Wandel hat jedoch erhebliche Folgen, wie z. B. weniger familiäre Bindungen, mehr Individualismus und ein wachsendes Risiko der Einsamkeit im Alter.

Für viele ältere Menschen ohne Kinder werden praktische Fragen plötzlich sehr konkret, denn wer hilft beim Einkaufen, wer begleitet sie ins Krankenhaus und mit wem teilen sie die täglichen Momente der Gesellschaft? Die Fundación Grandes Amigos, eine Organisation, die sich gegen die Einsamkeit älterer Menschen einsetzt, betont, dass dies keine Ausnahmen mehr sind und dass es um Hunderttausende Spanier geht.

Um dieser neuen Realität zu begegnen, entscheiden sich immer mehr Menschen für ein alternatives Wohnmodell: Cohousing. Dabei leben ältere Menschen in ihrer eigenen unabhängigen Wohnung oder ihrem eigenen Haus, teilen sich aber Gemeinschaftsräume und -einrichtungen. Dazu gehören gemeinsame Esszimmer, Gärten, Waschräume, Bibliotheken und Aktivitätsräume. Einige Projekte bieten sogar Dienstleistungen wie Physiotherapie, Hausarztbesuche, Yoga oder einen Friseur innerhalb der Anlage an. So entsteht eine Gemeinschaft, in der sich die Bewohner kennen, sich gegenseitig unterstützen und sozial aktiv bleiben.

Das Konzept, das in Spanien oft als „covivienda” bezeichnet wird, ist von ähnlichen Projekten in Nordeuropa inspiriert, wo es bereits seit Jahrzehnten existiert. Im Gegensatz zu traditionellen Pflegeeinrichtungen oder Seniorenheimen behalten die Bewohner bei Cohousing ihre Autonomie. Sie entscheiden gemeinsam über die Organisation, teilen sich die Kosten und bauen eine soziale Struktur auf, in der gegenseitige Hilfe und Solidarität im Mittelpunkt stehen.

Cohousing wächst in Spanien schnell, insbesondere in Regionen wie Katalonien, Madrid und Andalusien. Einige Initiativen werden von lokalen Behörden unterstützt, andere entstehen vollständig aus Bürgerprojekten. Die Teilnehmer sind zwischen 60 und 80 Jahre alt und suchen nicht nur eine bezahlbare Wohnung, sondern vor allem eine Gemeinschaft, in der sie sich nicht allein fühlen.

Obwohl Cohousing noch nur einen geringen Prozentsatz der gesamten Altenpflege ausmacht, betrachten Experten es als eine der vielversprechendsten Antworten auf die Überalterung der Gesellschaft. Für viele ist es nicht nur eine Wohnform, sondern eine Lebensphilosophie: gemeinsam alt werden, mit Respekt vor dem Freiraum des anderen, aber ohne die Angst vor Einsamkeit.

Quelle: Agenturen