„Touristen als Sündenböcke für die spanische Politik“

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Gezielt, sichtbar und beunruhigend. Es handelt sich nicht mehr um vereinzelte Äußerungen der Frustration, sondern um den Ausdruck einer wachsenden Feindseligkeit. „Deutsche raus“ und „Ausländische Käufer fahrt zur Hölle“ – diese Parolen wurden in der Nacht zum Sonntag mit roter Farbe auf Autos, Fenster und Fassaden von Geschäften und Häusern im Touristenort Santanyí, einer Küstenstadt im Südosten Mallorcas, gesprüht. Die örtliche Polizei hat die Vorfälle gegenüber der deutschen Nachrichtenagentur dpa bestätigt.

Die beschmierten Gebäude und Fahrzeuge wurden nicht zufällig ausgewählt. Nach Angaben der örtlichen Polizei und deutscher Medien hatten es die Täter gezielt auf Geschäfte deutscher Betreiber und Autos mit ausländischen Kennzeichen abgesehen. Schätzungsweise wurden zwischen 20 und 30 Geschäfte beschmiert.

Santanyí ist seit Jahren ein Anziehungspunkt für deutsche Zweitwohnsitige. Einige leben dort schon seit Jahrzehnten, zahlen Steuern, beschäftigen Personal und fühlen sich nun plötzlich nicht mehr willkommen. „Es ist schockierend, nach 34 Jahren auf der Insel eine solche Welle des Hasses über sich zu ergehen“, erklärt ein betroffener Unternehmer gegenüber der „Mallorca Zeitung“. Auch in anderen Orten der sonnenverwöhnten Insel, wie Palma und Campos, tauchen Graffiti mit Hassbotschaften gegen Deutsche auf.

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Auslöser für die Wut sind die hohen Immobilienpreise und die zunehmende Wohnungsknappheit auf der Insel. Für viele Einheimische ist es fast unerschwinglich geworden, ein Haus oder eine Wohnung zu kaufen oder zu mieten. Daher zeigen immer mehr Mallorquiner mit dem Finger auf ausländische Käufer, insbesondere auf Deutsche, die den Großteil der Immobilien an der Küste aufkaufen. Die Proteste gegen den Massentourismus sind nicht neu. Seit Monaten gehen Menschen mit Slogans wie „Mallorca no se vende” („Mallorca ist nicht zu verkaufen”) auf die Straße. Dass die Frustration nun in gezielte Einschüchterung und Fremdenfeindlichkeit umschlägt, ruft heftige Reaktionen hervor – bis nach Berlin.

In Deutschland wächst die Besorgnis. Stephan Mayer (CSU), Mitglied des Auswärtigen Ausschusses im Bundestag, spricht von einer „deutschfeindlichen Stimmung”. „Die Graffiti und die hasserfüllte Sprache sind inakzeptabel. Ich verstehe die Frustration über die Wohnungspolitik, aber deutsche Touristen sind nicht schuld an dieser Krise”, sagt Mayer. „Sie sorgen gerade für Arbeitsplätze und Wohlstand auf der Insel.”

Auch FDP-Größe Wolfgang Kubicki nimmt kein Blatt vor den Mund. „Deutsche Touristen werden ihre Unzufriedenheit zeigen, indem sie wegbleiben. Niemand will im Urlaub beschimpft, mit Wasserpistolen bespritzt oder mit Hassbotschaften beklebt werden“, erklärt er gegenüber der Bild-Zeitung. Er prophezeit, dass seine Landsleute sich für andere, gastfreundlichere Reiseziele entscheiden werden, und warnt, dass Mallorca sich damit selbst ins Knie schießt, indem es seine wichtigste Einnahmequelle gefährdet. „Fast 90 Prozent der Wirtschaft der Insel basieren auf dem Tourismus. Wenn dieser wegfällt, sieht es düster aus.“

Manfred Pentz (CDU), Minister des deutschen Bundeslandes Hessen, äußert sich noch schärfer. „Touristen werden für innenpolitische Probleme Spaniens in Geiselhaft genommen. Das ist einfach unanständig.“ Ein Urlaub, in dem man ständig beschimpft wird, hat nichts mit Entspannung zu tun. Er ruft Reiseveranstalter zum Handeln auf, mit Preisnachlässen oder alternativen Reisezielen. „Ein Urlaub, in dem man ständig beschimpft wird, hat nichts mit Erholung zu tun.“ Dennoch betonen auch die deutschen Politiker, dass die Sorgen der Mallorquiner über die Wohnungsknappheit berechtigt sind – aber dass nun die spanische Regierung am Zug ist. „Die Ursache liegt in der jahrzehntelang verfehlten spanischen Wohnungspolitik“, so Pentz.

Sein Kollege Nathanael Liminski (CDU) schließt sich dem an. „Wer mit seiner Familie „Deutsche raus“ an der Wand liest, bucht sich für den nächsten Sommer ein anderes Reiseziel. So ist das nun mal.“

Obwohl sich lokale Behörden und Organisationen wie der Hotelverband FEHM öffentlich von der Gewalt distanzieren, ist der Schaden angerichtet. Die Bilder der roten Parolen bleiben nicht unbemerkt. Und das setzt das Image Mallorcas als unbeschwerter Urlaubsort stark unter Druck. Der Hotelverband FEHM warnt: „Wer Gäste attackiert, verliert jede Glaubwürdigkeit.“

Quelle: Agenturen