Während Spanien in den letzten Jahren ständig neue Rekorde bei den Touristenzahlen gebrochen hat, ist in diesem Sommer in vielen Regionen ein Rückgang der Besucherzahlen zu verzeichnen. In bekannten Küstenorten sind die Terrassen weniger voll, Hotels melden geringere Auslastungen und die öffentlichen Verkehrsmittel befördern weniger Fahrgäste.
Im vergangenen Jahr verzeichnete Spanien noch Rekordzahlen bei den ausländischen Besuchern. Man prognostizierte, dass Spanien bei einer Fortsetzung dieses Trends im Jahr 2025 sogar die 100-Millionen-Touristen-Marke überschreiten könnte. Doch für viele Tourismusunternehmer sieht der Sommer 2025 weniger rosig aus. Vor allem in bekannten Küstenregionen auf den Balearen und entlang der beliebten Costas fallen leere Tische auf Terrassen auf, die Hotelauslastung ist geringer als erwartet und die Strandliegen sind nicht überall ausgebucht. Nach Angaben des spanischen Ministeriums für Industrie, Handel und Tourismus gibt es zwar Wachstum, aber mit einer deutlichen Verlangsamung – oder Korrektur – gegenüber dem Aufschwung nach der Pandemie.
Vor allem lokale Unternehmen geben an, den Rückgang der Zahl ausländischer Touristen stark zu spüren. Gerade sie sind in den letzten Jahren stark vom wachsenden Tourismussektor abhängig geworden. In Hotspots wie Ibiza, Mallorca und Teilen der Costa del Sol melden Unternehmer einen Rückgang der Besucherzahlen. Die öffentlichen Verkehrsbetriebe auf Ibiza verzeichneten in diesem Sommer bereits einen Rückgang der Passagierzahlen um 6 %, vor allem auf den Strecken zu den beliebten Stränden.
Auch in den Hotels ist die Flaute zu spüren: Der Branchenverband Exceltur prognostiziert für die Sommerferien einen Umsatzrückgang gegenüber den Erwartungen. Darüber hinaus melden kleine Supermärkte auf Ibiza einen deutlichen Rückgang der Kundenzahlen und Umsätze. Mehreren Ladenbesitzern in touristischen Gebieten wie Platja d’en Bossa und Sant Antoni zufolge liegt das Arbeitstempo in diesem Sommer nur bei 60 bis 70 % des Normalwerts. Sie verweisen unter anderem auf das gestiegene Angebot an All-inclusive-Hotels, hohe Preise und einen sich wandelnden Touristen-Typ, der weniger ausgibt und häufiger nur wegen des Nachtlebens kommt.
Die Kombination aus Hitzewellen und Waldbrandgefahr macht traditionelle Urlaubsküsten wie die Costa Blanca und die Costa del Sol weniger attraktiv. Immer mehr ausländische Touristen entscheiden sich für das sogenannte „Coolcation“-Konzept: Urlaub in kühleren und grüneren Reisezielen wie Galicien, Asturien, dem Baskenland oder Bergregionen im Landesinneren. Vor allem britische Reisende lassen bekannte Reiseziele wie Benidorm häufiger links liegen und ziehen ruhigere Orte mit mehr Natur in der Umgebung wie Santander oder die Sierra de la Demanda vor.
Das spürt auch die Tourismusbranche im Norden Spaniens in diesem Sommer deutlich. Ihre Region erfreut sich in diesem Sommer einer bemerkenswerten Beliebtheit. Laut der Plattform SiteMinder stieg die Zahl der Hotelbuchungen in dieser Region um über 9 %, während auch der durchschnittliche Zimmerpreis um über 6 % stieg. Damit schneidet der Norden besser ab als der Landesdurchschnitt. Die Verschiebung zeigt, dass immer mehr Reisende weniger überlaufene und kühlere Reiseziele bevorzugen, zulasten des wärmeren Südens und der klassischen Badeorte am Mittelmeer.
Für Spanier selbst wird ein Urlaub im eigenen Land immer weniger erschwinglich. Laut RTVE, die diese Schlussfolgerung auf Daten aus dem Hotelpreisindex stützt, sind die Hotel- und Mietpreise seit 2021 um mehr als 50 % gestiegen. Den Zahlen zufolge ging der Inlandstourismus bereits um 0,8 % zurück, während Auslandsreisen zunahmen. In touristischen Städten führt dies manchmal zu leeren Restaurants außerhalb der absoluten Hotspots.
Auch traditionell beliebte Küstengebiete für spanische Touristen werden aufgrund der gestiegenen Nachfrage immer teurer. Dies ist beispielsweise an der Küste von Cádiz, der Costa de la Luz, der Fall. Hier stiegen die Preise innerhalb nur eines Jahres um 15 %. Laut einer neuen Studie ist die Küste die teuerste Spaniens.
Auf Mallorca beobachten Unternehmer zudem einen deutlichen Rückgang der Ausgaben der Besucher. Das Phänomen der sogenannten „turistas diésel” – Touristen, die viel herumfahren, aber wenig ausgeben – wird hier immer sichtbarer. Laut Strandbetreibern werden deutlich weniger Liegestühle und Sonnenschirme gemietet: Im Juli gingen die Einnahmen damit gegenüber dem Vorjahr um 20 % zurück, so der Branchenverband ADOPUMA in Infobae.
Gleichzeitig werden in mehreren Städten die Proteste gegen den Massentourismus lauter. Auf den Kanarischen Inseln, den Balearen und in Städten wie Barcelona, Málaga und Cádiz gab es sowohl im vergangenen als auch in diesem Sommer Demonstrationen mit Slogans wie „La ciudad no se vende” (Die Stadt ist nicht zu verkaufen) und „Touristen geht nach Hause”. Auf Mallorca entfernten die Behörden mehr als 1.700 Liegestühle und Sonnenschirme von den Stränden, um den Druck zu verringern. Bei touristischen Rundfahrten wird ein Rückgang von bis zu 20 % gemeldet.
International entscheiden sich immer mehr Reisende für die Vor- und Nachsaison, um den Menschenmassen und der Hitze zu entgehen. Australische Reiseveranstalter berichten beispielsweise, dass mehr als die Hälfte der Europareisen mittlerweile außerhalb der Spitzenmonate Juli und August gebucht werden. Flight Centre spricht sogar von einem verlängerten „Euro-Sommer” von Mai bis Ende September statt nur von Juni bis August.
Die Branche selbst nennt als Gründe für den Rückgang des Tourismus unter anderem die wirtschaftliche Unsicherheit, geopolitische Spannungen wie den Konflikt in der Ukraine, die Lage in Gaza und die US-Präsidentschaftswahlen sowie das sinkende Verbrauchervertrauen in Europa. So zeigt ein aktueller Bericht von Funcas, dass jeder dritte spanische Haushalt seine finanzielle Situation seit 2019 als verschlechtert empfindet. Auch Haushalte in den nordeuropäischen Quellmärkten verlieren Vertrauen und neigen dazu, weniger für Urlaub auszugeben.
So zeigt sich für den Sommer 2025 ein geteiltes Bild. Obwohl Spanien insgesamt weiterhin Millionen von Besuchern anzieht, spüren bestimmte Regionen und Branchen deutlich die Auswirkungen von verändertem Reiseverhalten, Preisdruck, Protesten und klimatischen Faktoren. Für Unternehmer im Tourismusbereich könnte dies ein Signal sein, ihr Angebot und ihre Saison besser zu strecken. Und für Reisende ein Zeichen, dass sie sich besser nach weniger überlaufenen, aber dennoch überraschenden Orten in Spanien umsehen sollten.
Die spanische Tourismusagentur reagiert bereits darauf, indem sie den Schwerpunkt auf „Slow Travel” legt. Eine neue Art des Reisens als Antwort auf überlaufene Gebiete, Selfie-Hotspots, Staus auf viel befahrenen Strecken und Strände, an denen man Schlange stehen muss, um sie betreten zu können. Beim Slow Travel entscheiden sich Reisende bewusst für langsameres und intensiveres Reisen. Sie legen mehr Wert auf die lokale Kultur, Natur und Gemeinden. Es geht also nicht darum, in möglichst kurzer Zeit so viel wie möglich zu sehen und von der „Bucket List” abzuhaken, sondern um Erlebnisse, Verbindungen und Nachhaltigkeit. In Naturgebieten, bei lokalen Aktivitäten oder in Dorfrestaurants.
Quelle: Agenturen